Das Purs. Ein Werk von Axel Vervoordt.

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Das Purs.

Ein Werk von Axel Vervoordt.

So wie Manche sich Restaurants gezielt nach dem Küchenchef aussuchen, so suche ich mir manchmal meine Hotels nach dem Innenarchitekten aus. So geschehen beim Hotel August und dessen Designer Vincent van Duysen (siehe Post hier), oder den Ace Hotels (siehe Post hier) von Commune Design aus Los Angeles. Und so wie jeder Küchenchef seinen individuellen Kochstil hat, so sind auch diese Boutique Hotels in ihrer innenarchitektonischen Komposition einzigartig.

Seit kurzem gibt es in einer kleiner Stadt am Rhein, Andernach, ein Hotel, dass ein Superstar der international Innenarchitekturszene entworfen hat, Axel Vervoordt. Dem Belgier gelang das Unglaubliche: er verpasste Kim Kardashian und Kanye West ein zenartiges, minimalistisches und unglaublich geschmackvolles Zuhause in Los Angeles und ist seitdem auch der breiten Öffentlichkeit bekannt. Auch im Purs Hotel hat Vervoordt wieder gezeigt, warum er so verehrt wird.

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Foto: Waldfrieden Studios.

Foto: Waldfrieden Studios.

Das Purs Hotel versteckt sich in einer schmalen Gasse im kleinen Ort Andernach am Rhein, ca. 1,5h entfernt vom Ruhrgebiet. Meine Eltern verbrachten hier vor über 50 Jahren Ihre Hochzeitsreise. Bisher war mir der Ort auch nur durch Kegeltouren in den Achtzigern bekannt; eine verlassene Partymeile lässt darauf schließen, dass in Andernach mal ziemlich viel los war. Das Purs schmiegt sich architektonisch perfekt in seine historische Umgebung ein, wirkt aber op seiner Hochwertigkeit sowohl im kulinarischen als auch innenarchitektonischen Sinne “noch” wie ein Fremdkörper im Ort. Warum gibt es also dieses Hotel in Andernach?

PURS, Andernach, Bar 2, Foto = moodley brand identity - Michael Königshofer.jpg
PURS, Andernach, Suite 5 5, Foto = moodley brand identity - Michael Königshofer.jpg

Das Andernach nun das Purs Hotel, drei (!) Sternerestaurants sowie ein weiteres Boutique Hotel beheimatet, ist Verdienst der Familie Doetsch. Sie kommen eigentlich aus der Mineralöl- und Baubranche und verfügen mittlerweile über ein breit gefächertes Firmenportfolio. Als Tochter eines ehemaligen Mineralölhändlers kann ich sagen, dass diese Branche etwa so weit von hoch ästhetischer Innenarchitektur entfernt ist wie der Süd- vom Nordpol. Aber die Familie Doetsch verfügt über einen sehr guten Geschmack und eine große Liebe zu Andernach. Ihr Ziel ist es, für sich und selbstverständlich für Gäste sehr hochwertige Gastronomie und Hotellerie in Ihre Heimatstadt zu bringen. Sie kauften die alte Kanzler, die direkt gegenüber ihrer eigenen Residenz liegt, und rufen spontan bei Axel Vervoordt in Belgien an, der eigentlich keine Hotelprojekte annimmt. Sie sind ihm nicht individuell genug.

PURS, Andernach, Restaurant mit Blick in die Küche, Foto = moodley brand identity - Michael Königshofer.jpg

Zum Glück konnte Axel Vervoordt überzeugt werden, sich diesem Projekt doch anzunehmen. Vervoordt arbeitet intensiv mit historischen Bezügen, ist selbst einer der führenden Antiquare der Welt. Während einer Führung durch das Hotel habe ich erfahren, wie detailverliebt Vervoordt ist. Seine Handlungsweise und Entscheidungen sind sehr spezifisch und müssen unabhängig von Budgets getroffen werden, denn sonst könnte man nicht wirtschaftlich begründen, warum die obige rote Wand im Restaurant des Sternekoch Christian Eckhardt ganze sieben Mal neu gestrichen werden musste, weil das Rot nicht perfekt war. Und damit meine ich nicht nur, dass ein neuer Anstrich einfach auf einen bestehenden aufgetragen wird, sondern dass der alte Anstrich erst vollständig entfernt werden muss. Auch sein Team aus Gewerken werden nicht nach regionaler Nähe ausgewählt, sondern nach Expertise. So weiß ich, dass er auch schon für andere Projekte seine Lieblingsgewerke einfliegen lässt.

PURS, Andernach, Suite 4, Foto = moodley brand identity - Michael Königshofer.jpg
PURS, Andernach, Suite 3, Foto = moodley brand identity - Michael Königshofer.jpg

Axel Vervoordt behandelte das Purs in seiner Gestaltung wie ein Privathaus. Es ist sehr invidivuell eingerichtet, mit wertvollen Antiquitäten und immens viel Kunst. Kein Wunder, besitzt Vervoordt doch eine große Galerie in Antwerpen. Jedes Möbelstück, wenn es nicht antik ist, wurde entweder aus antiken Materialien oder aus hochwertigen, neuen Materialien gefertigt. Oft sind Materialien wie alte Tischplatten oder Möbelstücke schon Jahrzehnte in seinem Besitz bevor er sie in einem Projekt einsetzt. Es scheint, als warten sie in Antwerpen geduldig auf ihren Einsatz. Die Sitzmöbel sind typisch belgisch: sehr bequem und mit feinen Leinenstoffen in abgetönten Farben bezogen. Diese Art von Einrichtung erwartet man nicht in einem Hotel und so ist das Purs der Archetyp eines kleinen Boutiquehotels. Es verfügt über nur sehr wenige Zimmer, die sich auf einen denkmalgeschützten Altbau und einen Neubau verteilen. Der Hotelmanager verrät mir, dass die meisten Gäste sich sehr gerne einen ausgedehnten Abend im Restaurant gönnen und dann in die luxuriösen Betten des Hotels fallen.

Als wir nach einer kleinen Tour zu Fuß durch Andernach relativ schnell wieder im Hotel ankommen, ist er nicht erstaunt. “Unsere Gäste sind eigentlich immer wieder nach 30 Minuten im Hotel”, sagt er. Die Gemütlichkeit des Hotels ist auch magisch. Eigentlich möchte man sich nur mit einem Kaffee oder Glas Wein und einem Buch in eins der vielen Sofas kuscheln und entspannen. Und zum perfekten Hotelerlebnis fehlt eigentlich nur die Sauna im Keller.

Die Magie entsteht im Detail. Nicht überlässt Vervoordt dem Zufall oder einem Kompromiss. Die Gesamtkomposition ist 100% harmonisch und lässt Raum für die Inszenierung von stillen Helden, wie diese Vase oben rechts, die in einer Nische im Untergeschoß überrascht.


Ich habe den Aufenthalt im Purs absolut genossen. In jedem Detail erkannte ich die Handschrift Vervoordt’s und das hat mich sehr glücklich gemacht. Ich bin ein absoluter Bewunderer seiner Arbeit und denke, dass er in seinem Beruf seine Bestimmung gefunden hat. Kein anderer Innenarchitekt hat solch einen ganzheitlichen Ansatz, ist so konsequent in der Umsetzung und ist dabei auch noch so unglaublich sympathisch. Er wirkt in seiner Aura wie ein Zenmeister. Eigentlich sind seine Werke nur eine Erweiterung seiner selbst.

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Falls Ihr mehr über Axel Vervoordt erfahren möchtet, kann ich Euch nur seine zahlreichen Bücher wie das 2019 erschienene “Portraits of Interiors” empfehlen. Dort werden Ihr in jedem dokumentierten Projekt von ihm die Verschmelzung von Kunst und Innenarchitektur feststellen. Mich fasziniert bei seiner Arbeit vor allem die Tatasache, dass egal wo auf der Welt das Projekt realisiert wird, es ist 100% Vervoordt und 100% passend zur Lokalität. Ein wahrer Meister.

Hotel PURS

Axel Vervoordt

Vielen Dank für die Bereitstellung der Fotos. Fotos von Michael Königshofer wenn nicht anders gekennzeichnet.